„Als verheiratete Frau wurde ich zur „Verweserin“ abgestuft.“

Lydia Pola – Spescha kam am 2. September 1943 in Chur zur Welt. Mit ihren drei jüngeren Schwestern wuchs sie zuerst im Bündner Oberland, dann in Landquart auf.

 „Die Existenz der Familie war in meiner Kindheit ein zentrales Thema.“

Um die Familie zu ernähren, musste der Vater auch am Wochenende arbeiten und die Mutter war mit der Erziehung und der Arbeit daheim ausgelastet. Für politische Gespräche und Diskussionen in der Familie blieb kaum Zeit.

„Die einfache Herkunft und das Aufwachsen in einem Frauenhaushalt waren für mich prägend.“

In dem Frauenhaushalt hat sich Lydia nie benachteiligt gefühlt. Alle waren gleichwertig und für das Wohl der Familie engagiert. Im Elternhaus von Lydia ging es in Gesprächen hauptsächlich um existentielle, familiäre Themen. So erfuhr Lydia von Demonstrationen zum 1. Mai und von politischen Veränderungen auf der Welt, wie der Tod von Stalin, nur aus Erzählungen.

 „Mein Vater engagierte sich für unsere Ausbildung.“

Dem Vater von Lydia war eine gute Ausbildung für seine Töchter ein grosses Anliegen. Er wollte ihnen das ermöglichen, was er sich selber auch gewünscht hatte. Deshalb unterstützte er Lydia, als sie die Möglichkeit erhielt das Lehrer*innen Seminar in Chur zu besuchen.

 „Der Wechsel ins Seminar in Chur war ein grosser Schritt heraus aus dem geschützten Rahmen meiner Familie.“

Die Klassen im Churer Seminar waren Geschlechter gemischt. Hier konnte sich Lydia ihren Traum Lehrerin zu werden erfüllen und lernte ihren zukünftigen Mann kennen.

 „Das Bild der Lehrerin als eigenständige und respektierte Frau imponierte mir.“

Erste Regungen der Emanzipation machten sich in der Jugend von Lydia bemerkbar, als ihr als Blauringführerin nahegelegt wurde, nicht im Badekleid im Schwimmbad von Bad Ragaz zu schwimmen. Gegen diese Diskriminierung wehrte sie sich und trat bald darauf aus dem Blauring aus.

Nach drei Berufsjahren als Klassenlehrerin in einer kleinen Landgemeinde im Graubünden zog Lydia 1967 in die Nähe ihres zukünftigen Mannes nach Muttenz. Hier wurde sie als Klassenlehrerin fest angestellt. Zu dieser Zeit waren Frauen im Leherer*innenberuf noch in der Minderheit.

 „Als verheiratete Frau wurde ich zur „Verweserin“ abgestuft.“

Nach der Heirat 1969 musste Lydia einen Antrag stellen, um weiterhin als Lehrerin festangestellt zu bleiben. Es war zu dieser Zeit üblich, dass verheiratete Lehrerinnen nur noch eine provisorische Anstellung erhielten.

 „Die Annahme des Frauenstimmrechts und die Geburt unserer ersten Tochter fielen zeitlich zusammen.“

Der Kampf um das Frauenstimmrecht und dessen Einführung 1971 fielen in die Zeit der Geburt der ersten Tochter. Ebenfalls stand für Lydia die Unterstützung ihres Mannes in seiner beruflichen Entwicklung zu dieser Zeit im Zentrum.

 Ich lebte mit meinem Mann immer eine Partnerschaft auf Augenhöhe.“

Als Mutter von drei Töchtern und Partnerin eines Künstlers lebte Lydia eine gleichberechtigte Partnerschaft und blieb ihrem Beruf mit grossem Engagement bis zu ihrer Pensionierung treu. Daneben engagierte sie sich viele Jahre in der Bibliothek des Frauenvereins.

 „Die eigene Biografie und die Erfahrungen im Beruf prägten mein politisches Bewusstsein.“

Lydia nimmt regelmässig an Abstimmung teil, interessiert und informiert sich über die politische Entwicklung. Soziale Gerechtigkeit bleibt für sie ein grosses Anliegen.

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